Mittwoch, 17. Januar 2018

Episode 7: Das "große" Leiden mit der norwegischen Kultur

... und wieso ich wahrscheinlich auch hier Single bleiben werde 🙈


Ich schulde euch noch zwei Episoden aus dem letzten Jahr. Man könnte jetzt meinen, ich könnte mir das auch schenken, weil ich ohnehin schon zu spät dran bin damit. Aber gewisse Themen werden einfach nicht unaktuell. Schon gar nicht wie ich mich hier so mit der norwegischen Kultur und Sprache zu recht finde und mit der norwegischen, nicht vorhandenen Flirtkultur rumschlage.



Punkt 1: Man sagt, wir Norddeutschen seien genauso kühl wie Skandinavier.

Eher nicht so gastfreundlich und offenherzig. Ich möchte dem hier widersprechen. Ich komme mir hier im Vergleich zu den Norwegern vor wie eine heißblütige Latina. Ich gehe gerne die Straße entlang - mit einem Lächeln. Ich frage gerne ältere Damen oder Frauen mit Kinderwagen ob ich beim Ein- oder Aussteigen aus dem Bus behilflich sein kann - ohne die Menschen zu kennen und ohne sicher zu sein, dass mein norwegisch da tippi toppi korrekt bei ist. Aber egal, auf die Leute zu gegangen wird trotzdem. Reaktionen des Norwegischen Volkes: Gleich Null bis hin zu Blicken, die soviel ausdrücken wie "Ist die verrückt? Was quatscht/lächelt die mich an?".

Punkt 2: Man sagt, für Deutsche sollte es einfach sein die norwegische Sprache zu lernen.

Als jemand der bereits diverse Sprachen versucht hat zu lernen und bei einigen auch durchaus auch von sich behauten kann sie mittlerweile fließend zu sprechen, kann ich dem durchaus zustimmen. Möchte aber auch auf das Wort "sollte" in der Formulierung hinweisen. Nicht jeder hat ein Sprachtalent und ja, auch im Norwegischen gibt es sogenannte falsche Freunde, die mich hier zum Wahnsinn treiben. Bereit für Beispiele? Sau im Norwegischen bedeutet Schaf im Deutschen, die deutsche Sau (das Tier) hingegen heißt hier "gris". Noch schöner sind so Wörter wie "knull", das im Norwegischen 'knüll' ausgesprochen wird, aber nichts mit dem deutschen Wort "knülle" im Sinne von "betrunken sein" zu tun hat, sondern ganz vulgär "fi**en" bedeutet. Und spricht man jemanden an, sollte man besser es 'dü' aussprechen, den obwohl das Personalpronomen "Du" genauso geschrieben wird wie im Deutschen, bedeutet es "Klo" wenn man es wie im Deutschen ausspricht.

Punkt 2.1: Bleiben wir bei der Sprache - Das Thema mit dem Akzent und Intonation

Ich habe endlich eine Fremdsprache gefunden, in der mir ein deutscher Akzent bestätigt wurde, nachdem mir dieser Akzent im Spanischen und im Portugiesischen sowie im Englischen aberkannt wurde (jawohl, ich kann das doofe "th" aussprechen und erkenne deutsche Touristen daran, dass sie es verdammt nochmal nicht können). Problem ist hier aber weniger der deutsche Akzent. Generell ist es für Norweger eher merkwürdig mit uns Ausländern norwegisch zu sprechen, denn im Ausland wird einem sogenanntes "Bokmål" beigebracht - auch in der Aussprache. Haken bei der Sache: Bokmål ist eine Schriftsprache und wird hier nicht gesprochen. Jede Stadt bzw. Region hat hier ihren eigenen Dialekt und demnach klingt alles was aus meinem Mund kommt für Norweger evtl, etwas merkwürdig, was dazu führt, dass Norweger gerne gleich auf Englisch umswitchen um dem Ungemach auszuweichen.

Natürlich habe ich mir bei vielen Wörtern mittlerweile die bergensische Aussprache oder Aussprache aus anderen Dialekten, die ich zu Ohren bekomme abgehört, aber auch die Intonation ist eine andere. In den Vorlese-CD klingt Norwegisch immer so gesungen und geschwungen, etwas was von den norwegisch lernenden Ausländern gerne imitiert wird, aber von den Norwegern (zumindest in Bergen) selbst gar nicht stark praktiziert wird. Kommentar einer Kundin in der Eisbar: "Dein Norwegisch ist gut, aber ich höre dass du Ausländerin bist. Ihr Ausländer singt immer so."

Punkt 3: Soziales Leben und Kontakte knüpfen....

Morgen auf den Tag genau bin ich 10 Monate hier, das ergibt schon zwei Hände zum abzählen. Die Zahl norwegischer Freunde hingegen kann ich an nur einer Hand abzählen. Kontakte knüpfen ist hier gar nicht so einfach. Wie schon erwähnt, wird es ja schon als merkwürdig empfunden lächelnd durch die gegen zu spazieren. Man sagt dem Norweger nach er lächelt nie - bei keiner Gemütsempfindung. Es sei denn er ist betrunken, da lächelt er. Und dieses Vorurteil kann ich euch bestätigen. Die Illustrationen von Julien Bourelle, einem kanadischen Auswanderer, der den "Guide til Nordmenn" rausgebracht hat, treffen das ziemlich gut (siehe Illustration recht).

Ansonsten ist es mit den Norwegern wie mit Tieren. In ihrer natürlichen Umgebung finden sie sich am besten zurecht und sind am umgänglichsten. Beispiel 1 ist also die Bar, wenn ein gewisser Alkohol-Pegel erreicht wurde oder draußen im Wald und in den Bergen beim Wandern oder Laufen. Am einfachsten ist es, wenn ein Hund am Start ist. Bekommt man den norwegischen Hund mit Streicheleinheiten auf seine Seite, kann auch Herrchen oder Frauchen einem kurzen Small Talk über den hund und das Wetter nicht widerstehen. Das macht noch keine lebenslangen Freundschaften aus, ist aber ein erster sozialer Kontakt. Und auch beim Lauftraining zwinge ich mir ein Lächeln ins Gesicht obwohl es weh tut (wegen des Bergauflaufens) und grüße mir entgegenkommende Läufer. Meist  bekomme ich ein zustimmendes Nicken; ab und zu inklusive Lächeln und auch im Fitnessstudio in der Umkleide werden die norwegischen Damen zumindest etwas redseliger.


Punkt 4: Thema "Dating" und wieso ich auch hier Single bleiben werde

Joah, wo soll ich da anfangen? Am besten mit einem Schluck Sambuca, damit das Schreiben über dieses Thema etwas leichter fällt und nicht nur ihr, sondern auch ich ein bisschen was zu lachen habe. Über die Reaktionen, wenn man hier lächelnd die Straßen entlang läuft und auf Menschen zu geht, habe ich euch bereits am Anfang des Posts berichtet. Die Option: Schenke dem Mann deiner Träume ein Lächeln und dann läuft das schon irgendwie, gibt es hier nicht. Norwegische Männer versuchen Blickkontakt und somit auch das Wahrnehmen eines weiblichen Lächelns dringendst zu vermeiden. Traurig, aber wahr.

Gerade vor zwei Wochen war ich mit meiner Mitbewohnerin Rachele aus und habe ein Experiment gestartet. Gezielten Augenkontakt suchen. Ihr kennt das Spielchen? Guckt der andere zurück und wird der Blickkontakt länger usw., ja dann kann man das als Interesse deuten und evtl. an der Bar oder sonst wo einen Schritt wagen und ganz "zufällig" ins Gespräch kommen. Funktioniert hier nicht. Wir saßen in einer Bar. 3 Norweger in unserem Alter am Tisch Neben uns. 2 von 3 haben wir als "Boyfriend-Material" identifiziert. Wir haben Plätze getauscht, damit ich besser Augenkontakt suchen kann. Ich habe Sie regelrecht niedergestarrt. Aber nein. Kein Augenkontakt. Aber der Boden, ja der Boden, der war für die Herren der Schöpfung deutlich interessanter als die Mädels um sie herum. Wir testen das demnächst nochmal. Es muss ja repräsentativ sein das Experiment.

Darüber hinaus wurde mir gesagt, dass es generell hier in Norwegen eher die Damen sind, die den ersten Schritt machen. In Anbetracht der Tatsache, dass Norwegen eines der Top-Länder ist was die Gleichstellung von Männlein und Weiblein angeht, ist das also keine Überraschung. Aber meine persönliche Vorstellung vom männlichen Wikinger war dann doch eine andere, als dass die Dame hier den ersten Schritt macht. ;-)

Außerdem heißt es, viele bekommen den ersten Schritt nur unter Einfluss von Alkohol während des sogenannten norwegischen "Vorspiels" hin. Ja, auch hier ist der Sinn des norwegischen Wortes ein etwas anderer als im Deutschen. Im Deutschen nennen wir das Ganze: "Vorglühen". Problem für mich: Mit weniger als einer handvoll norwegischer Freunde, die aus dem Studentenalter raus sind, bleiben Einladungen zum sogenannten Vorspiel leider aus. Auch so werde ich mir also keinen Wikinger angeln können.

Um alle Möglichkeiten hier in Norwegen auszuschöpfen, habe ich mir also ernsfthaft Tinder zugelegt. Online-Dating war bisher echt nicht meine Ding. Nein. Haha. Ich korrigiere, Dating generell war ja bisher nicht mein Ding, ich bin ja Profi-Single sozusagen. Entsprechend ist Tinder und das Wischen von Profilbildern nach links (gefällt nicht) oder rechts (gefällt) ziemlich gewöhnungsbedürftig für mich gewesen. Wischt man sich gegenseitig nach rechts, ergibt das ein Match und man kann sich texten (kleine Erläuterung am Rande für alle nicht Tinder-Menschen hier).

Es heißt, es fällt den Norwegern leichter per Text Kontakt aufzunehmen als per Augenkontakt auf der Straße oder persönlich in der Bar oder beim Vorspiel. Meist gilt aber auch hier, dass Frau zuerst schreibt. Ich bin da jetzt noch nicht so der Profi, ich kann euch aber sagen, der ein oder andere lässt sich echts Zeit mit der Konatktaufnahme und manche sind dann etwas vorschnell, dass ich vor Schreck das Match aufgelöst habe. Wisch und weg, sag ich da nur.

Ich möchte an dieser Stelle auch nochmal anmerken, dass ich in der zweitgrößten Stadt Norwegens lebe. Es sollte also endlos viele Leute zum Wischen oder "Swipen" geben. Traurigerweise sind Tinder und ich mittlerweile so weit, dass die App mir in regelmäßigen Abständen vorschlägt, den Standort zu ändern, weil keine Männer mehr zum Wischen da sind. Da frag ich mich, wie kann das sein? Ich bin doch gerade erst hierher gezogen, da kann ich doch nicht schon wieder weg?

Ich bleibe auf jeden Fall erstmal noch eine Weile in Bergen, vielleicht fällt es in ein paar Monaten noch etwas leichter sich an gewissen Gepflogenheiten zu gewöhnen. :-)

Bis bald
Eure Kristina





2 Kommentare:

  1. Hi Kristina! Als früher jahrelanger Profi-Single kommt mir deine Situation so bekannt vor! Wobei die norwegischen Männer ja schon speziell zu sein scheinen... Aber du machst es richtig: kleine Experimente starten und sich mit einer Freundin kaputtlachen. (Und natürlich bitte alle BlogleserInnen an amüsanten Episoden teilhaben lassen.) Das bringt ein bisschen Abwechslung in den Alltag, bis Mr Right daherkommt. Und ja, der kann sich manchmal ganz schön Zeit lassen. Bis dahin: Have fun!!

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  2. Haha, Krissi. Echt gut geschrieben :9 wer hätte gedacht dass sie sooooo zurückhaltend sind. Sonst schaust dir halt mal die anderen work and travel Leutchen genauer an :D

    Melli

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