Umzug an zwei Fronten - Front Nr. 2: Norwegen
Auswandern nach Norwegen will gelernt sein. Auch wenn Norwegen mit zum Europäischen Wirtschaftsraum gehört und das Auswandern für EU-Bürger daher weitestgehend unproblematisch ist (oder sein sollte).
Die Grundregeln sind recht einfach
- Bis 3 Monate Aufenthaltserlaubnis ohne Registrierung - ab 3 Monaten ist eine Registrierung erforderlich
- Zwischen 3 und 6 Monaten hat man Zeit, um einen Job zu finden, sofern man sich als Jobsuchender registriert und nicht anderweitig seinen Unterhalt nachweisen kann
- Für EU-Bürger gilt: Aufenthaltserlaubnis = Arbeitserlaubnis. Um also alles Dingfest zu machen, muss einfach nur ein Job her. Denn im Umkehrschluss heißt es: Arbeitsvertrag = du darfst bleiben, denn du zahlst ja nun brav Steuern. ;-)
- Wenn alle Stricke reißen: Heirate eine/n Norweger/in und du darfst sowieso bleiben. Wer gerade darüber schmunzelt, sollte wissen, dass ich zwischenzeitlich dachte, dass diese Variante eventuell die einfachere für mich wäre...
Für mich ging es nun um die Kür: Wandler die temporäre D-Nummer zu einer permanenten Personennummer, die sogenannte Fødselsnummer, um. Alle Norweger erhalten diese Identifikationsnummer bereits bei Geburt - als Ausländer hingegen muss man nachweisen, dass man plant sich mindestens 12 Monate im Land aufzuhalten. Das Gute an der Fødsels-nummer: Hierüber fällt man auch endgültig ins norwegische Sozialsystem und erhält unter anderem auch die Krankenversicherung hier. :-)
Die Hoffnung das Finanzamt würde dies auf Basis meines neuen Arbeitsvertrages im System einfach umwandeln, wurde je zerstört. Stattdessen musste ich den kompletten Registrierungsprozess neu durchlaufen und jede Menge Nerven verlieren. Chronik:
24.08, Donnerstag: Unterzeichnung meines Arbeitsvertrages
28.08, Montag: Motivierter Besuch beim Skattetaten endet tragisch. Ich habe keinen "Registreringsbevis" 😱 Um es in Monopoly-Sprache auszudrücken: Gehe zurück auf Los! Ich muss einen erneuten Termin beim Ausländeramt UDI machen und mich erneut registrieren um den "Registreringsbevis" zu erhalten. Nächster freier Termin beim UDI: ab Oktober.
09.10., Montag: Termin beim UDI. Nette Unterhaltung auf Norwegisch über den neuen Job. Ich bekomme mein Objekt der Begierde: den "Registreringsbevis". Anschließend reiche ich alles beim Skattetaten ein. Kopien meiner Dokumente werden gemacht. Die Laune ist bestens. Ich fühle mich schon ein bisschen norwegischer.
24.10, Dienstag: Ich unterschreibe einen neuen Mietvertrag und werde im November mit meiner Freundin Rachele zusammenziehen. Noch keine Post vom Skattetaten zur meiner neuen Fødselsnummer.
02.11, Donnerstag: Abmeldung in Deutschland. Nach 183 Tagen im Ausland Vorschrift. Also tue ich das ordnungsgemäß. Ich bin ja immer noch Deutsche und mag schließlich Vorschriften.
06.11, Montag: E-Mail vom Skattetaten. Keine Erteilung der Fødselsnummer. Es fehlt eine Kopie der Seiten 2 und 4 meines (alten) Mietvertrages. Da hat dann wohl ein hochbezahlter Beamter beim Kopieren die Beidseitigkeit des Mietvertrages übersehen... Ich fühle mich leicht gemobbt. Es heißt: Bitte Nachsenden inklusive Bestätigung des Vermieters, dass ich weiterhin an der gemeldeten Adresse in Norwegen wohnhaft bin, da der Vertrag älter als drei Monate ist. Problem: Ich ziehe Freitag um. Mein alter Vermieter wird mir das wohl kaum bestätigen.
07.11, Dienstag: Persönliches Auflaufen beim Skattetaten, da mein zuständiger Sachbe-arbeiter weder gestern noch heute morgen ans Telefon geht. Ich fühle mich noch mehr gemobbt. Die Dame am Schalter meint, wenn ich den neuen Mietvertrag einreiche, sollte das auch in Ordnung sein. Sie macht eine Kopie und sagt, sie leitet es weiter. Ich frage mich: Es sollte oder es wird in Ordnung sein? Am Abend scanne ich sowohl alten als auch neuen Mietvertrag ein und sende alles elektronisch ans Finanzamt. Sicher ist sicher. Ich verlasse mich auf nichts mehr, was ich nicht selber gemacht habe.
13.11, Montag: Am Freitag war Schlüsselübergabe für die neue Wohnung. Ich habe heute einen kleinen Stadtlieferwagen Marke Opel Combo angemietet und shoppe meine Zimmer-einrichtung bei der schwedischen Botschaft namens IKEA. Das Navi meiner Freundin Rita spricht norwegisch. Ich muss mich doppelt konzentrieren: Auto fahren und norwegisch ver-stehen. Ich verliere beim Auto fahren in Bergen Sentrum leicht die Nerven und stelle mir die Frage: 'Bin ich momentan überhaupt krankenversichert? Denn ohne Fødselsnummer in NOR keine KKV und verliert man seine gesetzliche KKV in DEU automatisch bei Ab-meldung?' Die Nerven liegen blank. Besser wäre es, keinen Unfall zu haben. Das mit der KKV möchte ich nicht herausfordern... Bei der Rückfahrt zu AVIS mache ich mein Navi an. Es spricht Deutsch mit mir. Rita sagt, ich wirke plötzlich sehr entspannt - bis GoogleMaps alle Einbahnstraßen im Stadtzentrum durcheinander bringt .😱 Ich hasse Auto fahren und lache über mich selbst, dass ich ernsthaft bei VW gearbeitet habe. Welch Ironie.
15.11, Mittwoch: Laura kommt zum Möbel aufbauen. Sie ist IKEA-Expertin. Ihr Freund ist Schwede und zweifelt meine Aussage an, dass die IKEA-Anleitungen zum Teil echt scheiße sind. Welch ein Patriot. Anschließend findet eine kleine "House Warming" Party statt. Es gibt von mir importierte VW-Currywurst. Ich glaube ich schulde Britta dafür noch Geld. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Die Currywurst hilft mir allerdings über meine Schuldgefühle hinwegzukommen.
17.11, Freitag: Post im Briefkasten. Die Fødselsnummer ist da genauso wie der Brief von Helfo.no mit Name und Adresse meines nun zuständigen Hausarztes. Ich springe im Dreieck. Ich fühle mich plötzlich nicht mehr von norwegischen Behörden gemobbt und wieder etwas norwegischer. Ich beschließe aber, den deutschen Pass auf jeden Fall zu behalten. Mit dem kommt man ohne Visum in mehr Länder als mit anderen Pässen. Ich zweifle auch an meinen zwischenzeitlichen Gedanken der Fødselsnummer wegen einen Norweger zu heiraten. Zu viel Papierkram. Zu viele norwegische und deutsche Behörden. Zu viel Mobbing. Ich verzichte vorerst... auch mangels norwegischem Hochzeitskandidaten.
18.11, Sonntag: Die weltweit einzige und größte Stadt aus Lebkuchen "Pepperkakebyen" in Bergen wird eröffnet. Ich muss mich mental von den letzten Wochen erholen und verliere mich in dem verlockendem Duft dieser Lebkuchenwelt und erfreue mich an dem Kindergelächter um mich herum. Wenn die Kleinen nur wüssten, was das Erwachsen werden und sein so mit sich bringt...
Mehr über die "Pepperkakebyen" dann demnächst hier im Blog, damit ihr eine Vorstellung davon bekommt, wie so eine Stadt aus Lebkuchen wohl aussehen mag.
Bis dahin eine entspannte Vorweihnachtszeit mit hoffentlich viel Lebkuchen.
Eure Kristina
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